
Kunden im Netz
Warum VNB gute Erlebnisse schaffen müssenDie Energiewende verändert die Energiewirtschaft tiefgreifend: Zunehmend dezentrale Erzeugung, der steigende Energieverbrauch privater Haushalte und smarte Technologien stellen Verteilnetzbetreiber (VNB) vor neue Herausforderungen. Dabei geraten viele VNB unter Druck: strapazierte Organisation, hohe Prozesskosten, zunehmender Druck auf das Kerngeschäft. Doch es geht nicht ausschließlich um die technischen Herausforderungen. Zusätzlich zur Stabilisierung und Digitalisierung des Netzes stehen VNB vermehrt im direkten Kontakt mit Endverbrauchern. Diese produzieren selbst Strom, nutzen neue steuerbare Verbraucher (z.B. Wallboxen oder Wärmepumpen) und erwarten digitale Lösungen zur Optimierung ihres Energieverbrauchs. Diese neue Realität fordert eine intensivere und transparentere Zusammenarbeit zwischen Netzbetreiber und Kunden. VNB müssen sich konsequenter auf die direkte Interkation mit ihren Endkunden ausrichten, um weiter Effizienz in Kernprozessen und -aufgaben sicherstellen zu können – auch weil ineffiziente Kundenprozesse vermeidbaren Aufwand und Kosten verursachen und auf eine Erlösbasis treffen, die zunehmend unter Druck steht. Nicht zuletzt verschafft eine hohe Servicequalität Netzbetreibern auch eine gute Ausgangsposition für die (Wieder) Erlangung der Netzkonzessionen.

Für Netzbetreiber stellt sich nun berechtigterweise die Frage, welche Erwartungshaltung Endkunden an diese zuvor wenig genutzten Schnittstelle haben. Unsere Befragung „Der Kunde im Verteilnetz“ bringt Licht ins Dunkle und zeigt: Es gibt noch umfassenden Handlungsbedarf für VNB.
Die Umfrage (n=300) macht deutlich: Viele Kunden empfinden die Kommunikation mit ihrem Netzbetreiber als unzureichend. Informationslücken, fehlende Rückmeldungen und unklare Zuständigkeiten führen dazu, dass sich Kunden bei der Bearbeitung ihrer Anliegen nicht ausreichend unterstützt fühlen. Besonders bei komplexeren Themen entsteht so Frustration – für Kunden wie auch für Netzbetreiber, die mit vermehrten Rückfragen und zusätzlichem Aufwand konfrontiert sind.
Digitale Angebote wie Kundenportale oder Chatbots sind zwar vorhanden, bleiben jedoch oft hinter den Erwartungen zurück. Nutzer kritisieren vor allem fehlende Übersichtlichkeit und eine zu geringe Integration in den Gesamtprozess. Entsprechend greifen Kunden bei steigendem Abstimmungsbedarf wieder vermehrt zu klassischen Kanälen wie Telefon oder E-Mail. Wird der Kontakt häufiger – etwa mehr als fünfmal – erfolgt er sogar ausschließlich telefonisch.
Auch die Geschwindigkeit der Bearbeitung ist ein zentraler Kritikpunkt: Im Durchschnitt dauert die Bearbeitung eines Anliegens 26 Tage. Weniger als 40 % der Anliegen werden in unter zwei Wochen erledigt. Kurze Bearbeitungszeiten sind somit die Ausnahme.
Kunden erwarten einfache, transparente und zügige Prozesse – vor allem aber eine klare, verlässliche Kommunikation. Besonders wichtig ist ihnen, dass der VNB bei Änderungen oder Rückfragen aktiv und verständlich informiert. Perspektivisch wird erwartet, dass sich der VNB zu einem verlässlichen Servicepartner entwickelt: mit klar definiertem Leistungsversprechen, proaktiver Kommunikation und Prozessen, die sich an den Bedürfnissen der Kunden ausrichten.

Die Umfrageergebnisse zeigen deutlich, dass sich VNB stärker auf ihre Kunden ausrichten müssen, um den Anforderungen der Energiewende gerecht zu werden. Die zunehmende Technologisierung und Dezentralisierung im Energiesystem haben einen Druck geschaffen, der nicht nur technische Systeme betrifft, sondern tief in die Organisation der Netzbetreiber vordringt.
Die aktuellen Schwächen liegen vor allem in veralteten Prozessen und in einer fragmentierten Organisation. Viele Netzbetreiber bearbeiten Anfragen noch manuell, was zu langsamen Bearbeitungszeiten und einer hohen Fehlerquote führt und häufig Nachfragen, Eskalationen sowie zusätzlichen Mehraufwand auf Seiten der Netzbetreiber nach sich zieht. Dies betrifft insbesondere die Anmeldung von Einspeiseanlagen oder das Management von Messstellen, die besonders wichtig für die Energiewende sind.
Die gestiegenen Erwartungen der Kunden – nach Transparenz, Geschwindigkeit und digitaler Interaktion – treffen bei vielen Netzbetreibern auf Prozesse, die noch nicht konsequent auf eine solche Kundenzentrierung ausgerichtet wurden. Der Wandel vom rein infrastrukturbasierten Anbieter hin zu einem modernen Serviceunternehmen ist unerlässlich, um sowohl die Klimaziele zu erreichen als auch die Kundenerwartungen zu erfüllen.

Der Ausbau und Betrieb verlässlicher Infrastruktur bleibt zentrale Aufgabe der Verteilnetzbetreiber. Gleichzeitig wächst die Erwartung, auch den Wandel auf Kundenseite mitzugestalten und serviceorientierte Prozesse effizient umzusetzen.
Unsere Erfahrungen zeigen, dass drei Schwerpunkte entscheidend sind, um den Erwartungen der Kunden gerecht zu werden und den Erfolg der Energiewende zu sichern:
Netzbetreiber müssen ihre bestehenden Prozesse vereinfachen. Kunden erwarten transparente, einfache und intuitive Schritte. Digitale Portale, die Kunden Self-Service-Funktionen bieten und ihnen gleichzeitig den Bearbeitungsstatus klar aufzeigen, können dabei doppelt profitieren: Sie beschleunigen die Bearbeitung und entlasten die internen Strukturen der Netzbetreiber.
Die Strukturen vieler Netzbetreiber müssen neu gedacht werden. Klare Zuständigkeiten, Automatisierung, aber auch der Abbau fragmentierter Prozesse sind notwendig, um diesen Übergang rechtzeitig und effizient zu schaffen. Strukturierte Prozesse mit klaren Zuständigkeiten in der Organisation sind von zentraler Bedeutung, um neue Kundenanforderungen dauerhaft zu erfüllen.
Netzbetreiber müssen beschleunigen, indem sie modernste Technologien nutzen. KI kann hier eine Schlüsselrolle spielen – von der Außendiensteinsatzplanung, die Leerfahrten reduziert, bis hin zur Netzplanung, bei der Nachfrage- und Einspeisemuster schneller und genauer analysiert werden können. Solche Technologien ermöglichen nicht nur Kosteneinsparungen, sondern auch ein schnelles und positives Kundenerlebnis.
Die Erwartungen der Kunden und die komplexen Herausforderungen der Energiewende können nur durch eine nachhaltige Transformation gemeistert werden. VNB sind aufgerufen, ihre Prozesse, Organisation und Technologien so aufzustellen, dass sie sowohl die wachsenden Anforderungen des Energiesystems als auch die Bedürfnisse ihrer Kunden gleichermaßen erfüllen.
Beitrag von Hans Jacob (Senior Manager) und Robin Zürn (Projektmanager)